Viel Schlechtes haben wir von der Überfahrt von Burgas nach Batumi gehört. Das Essen sei miserabel, die Kajüten eng, die Betten unbequem und die Truckerfahrer laut und ständig betrunken…Wir befürchten schon das Schlimmste…Eingetroffen ist von alldem NICHTS. Sogar die Lasterfahrer benehmen sich (auch im betrunkenen Zustand) anständig. Wir fühlen uns wie auf der „Light“ Version einer Kreuzfahrt! Super Kajüte, eigenes Bad mit Dusche, 3 mal täglich leckeres Essen und interessante Bekanntschaften. Zeit für lange Gespräche hat man auf hoher See, wo bereits die Sichtung eines Frachters einer Attraktion gleicht, jede Menge. Für 3 Tage sehen wir rundherum nur tiefes Blau, ab und zu springt ein Delfin aus dem Wasser. Joos verpasst die ganze „Action“, sein Magen hat sich immer noch nicht beruhigt und das Geschaukle gibt ihm den Rest…
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Ab auf die Fähre |
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Schiffscrew |
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All inclusive |
Georgien präsentiert sich erst grau in grau. Als wir das Schiff in Batumi verlassen, regnet es. Das Getümmel und der Gestank der Stadt lassen wir darum ziemlich schnell hinter uns. Entlang der Küste fahren wir über Poti Richtung Svantien im grossen Kaukasus.
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Batumi |
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Am schwarzen Meer
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Mehr als nur schwarze Steine
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Wir wählen Nebenstrassen durch kleine Dörfchen und ländliche Gegenden wo uns statt hupende und halsbrecherische Autofahrer Gänse, Schweine und Kühe willkommen heissen. Die Menschen sind freundlich und grüssen stets mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Sogar frischen Fisch bekommen wir an unserem Campspot geschenkt. Wir sind begeistert! Auch Fernradfahrer treffen wir hier öfters als bis anhin. Dieter und Susanne, die wir ein Stück begleiten, machen den Anfang.
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Mit Dieter und Susanne |
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Achtung Hindernis |
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Fast freie Fahrt |
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Wo gehts lang? |
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Frischer Fisch |
Schon bald erblicken wir den ersten typischen Svan Tower und Schneeberge. Unsere Herzen schlagen höher! Der 1600 Meter Anstieg nach Mazeri fällt bei einer solchen Aussicht auch mit unserem schweren Gepäck leicht. Vorbei am milchig-türkisen Enguri Stausee schlängelt sich die Strasse durch ein grünes Tal, immer weiter ins Gebirge. Auf dem letzten Stück vor Mazeri holen uns Dietmar und Christine, zwei andere Radler aus Deutschland, ein. In den kommenden Tagen werden wir immer wieder auf die Beiden treffen. In Mazeri stehen wir dann wieder einmal vor dem Problem Essensbeschaffung. Einen Markt gibt es hier, entgegen unseren Informationen, nicht. Also heisst es Gasthäuser anfragen, was zum Glück bei den hilfsbereiten Georgiern ziemlich gut klappt. Verhungern werden wir erstmal nicht...
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Der erste Svan Tower |
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Enguri Stausee |
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Berge in Sicht |
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Mazeri |
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Richtung Ushba |
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Traumspot |
Das abgelegene Bergdörfchen ist Ausgangspunkt zum Ushba Gletscher. Einen Teil können wir hochpedalieren, dann geht es zu Fuss weiter. Vorbei an liebevoll dekorierten „Waldcafes“ und den Shdugra Wasserfällen erreichen wir nach einem steilen Anstieg das Gletschertor. Hinter dem Eis thront der Doppelgipfel des Ushbas (4700m). Ein überwältigender Anblick! Auch die Abfahrt zurück ins Tal kann sich sehen lassen. Zuerst technisch und etwas verblockt, dann wunderschön durch den Wald und zum Schluss eine Jeepstrasse zum Ausfahren. Die Flussdurchquerung fordert uns hingegen schon mehr, der Pegel ist durch den einsetzenden Regen erheblich gestiegen und die Strömung reisst uns fast die Bikes weg...Da kann man sich nachher schon mal mit einem Khatchapuri (traditionelle Brottasche mit Käsefüllung) belohnen.
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Waldcafe |
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Ushba |
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Ushba Gletscher |
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Trailspass |
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Flussdurchquerung |
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Der erste Khatchapuri |
Als nächster Stopp steht Mestia auf dem Programm. Doch schon bei Erreichen des Dorfes merken wir, dass das nichts für uns ist. Zu viele Touristen! Wir wollen weiter nach Ushguli, der mit 2100 m über Meer höchsten ganzjährig bewohnten Siedlung Europas. Es soll eine 3-4 Tages Trekking Route durch den grossen Kaukasus dorthin geben, ideal also für Bikepacking! Doch durch die Berge mit dem Trailer ist nicht möglich. Wir veruchen etwas Neues und verbringen einen ganzen Nachmittag damit, einen Marshrutka (Minibusse in Georgien) Fahrer zu finden, der versteht, dass nur unser Gepäck, NICHT aber WIR und die Fahrräder nach Ushguli sollen. Mit einem etwas mulmigen Gefühl übergeben wir unser Hab und Gut an den Chauffeur und drücken ihm einen Zettel mit der Adresse des Guesthouses in Ushguli in die Hand. "No Problem, no Problem!" Meint er nur. Ob das gut geht?
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Mestia |
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Radler aus Serbien |
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Der Trailer zieht ohne uns los |
Mit Essensvorräte für 4 Tage, Zelt, Schlafsäcken und unseren Bikes machen wir uns ebenfalls auf den Weg. Der Trek wird als einfach eingestuft und tatsächlich können wir anfangs sogar berghoch viel fahren. Die Aussicht: atemberaubend! Der mäjestätische Tetnuldi, die beiden Ushba Gipfel, kleine Siedlungen, Flussläufe am Talboden und traumhafte Trails. Was will man mehr? Wir kommen gut voran und erreichen bereits gegen Mittag das erste Etappenziel Zhabeshi. Für uns der perfekte Stopp um unsere knurrenden Mägen zu füllen. Wir bestellen Khatchapuri und erhalten stattdessen eine Mahlzeit für 5 Personen...Unser georgisch lässt wohl noch zu wünschen übrig... :-)
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Bereit für die Abfahrt |
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Etwas mehr als Khatchapuri |
Der zweite Anstieg bringt uns ins Tetnuldi Skigebiet. Hier können wir nur noch schieben, respektive tragen. Das Wetter verschlechtert sich auch zunehmends. Nach Erreichen des höchsten Punktes sinken die Temperaturen unter Null und Schneeregen setzt ein. Wir suchen uns schnellstmöglich einen tiefergelegen Campspot und schlüpfen in unsere warmen Schlafsäcke.
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Schieben, Schieben |
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Morgens sieht die Welt einiges freundlicher aus |
Am nächsten Morgen erwartet uns bei Sonnenschein freie Sicht auf den Tetnuldi und Ushba und eine wunderschöne (kalte) Abfahrt in das bezaubernde Bergdörfchen Adishi. Zwischen Swantürmen und Steinhäusern erwacht die Siedlung langsam zum Leben. Die ersten Wanderer machen sich flussaufwärts auf den Weg zum Adishigletscher. Hier heisst es Share the Trail.
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Runter nach Adishi |
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Ushba |
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Tetnuldi |
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Adishi |
Nicht nur der strenge Aufstieg mit vielen Schiebe- und Tragepassagen, auch der Kontrast von saftig grünen Wiesen, violetten Weidenröschen, den weissen Gipfeln und dem stahlblauen Himmel raubt uns den Atem. Ab und an hallt ein Donnern durchs Tal und wir können zusehen wie der Gletscher kalbert. Doch der grösste Spass steht uns noch bevor: Der Trail über den Bergrücken ins Tal ist fahrtechnisch und landschaftlich ein Traum!
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Adishi Gletscher |
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Traumhaft |
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Noodle Soup zum Mittag |
Unsere Route führt weiter über den Karetta Pass. Der 800 Höhenmeter Anstieg auf die Passhöhe auf 3000 Metern über Meer kostet uns den ganzen Nachmittag. Die Bikes tragend oder wie ich mit zunehmender Höhe elegant hinter mir herschleifend, folgen wir dem mühsamen, rutschigen Pfad durch die Rhododendren steil bergauf. Ab und an fallen wir auch bäuchlings in den Matsch. Juhuuu, das macht Laune! :-) Oben angekommen windet und schneit es. Nichts wie weg hier! Doch glücklicherweise beginnt sich die Wolkendecke auf der anderen Seite des Passes zu lichten. 200 Meter unterhalb der Passhöhe finden wir einen windstillen Ort für unser Zelt wo auch meine nassen Füsse getrocknet werden können. Warum haben wir bloss plötzlich Lust auf Fondue?! :-)
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Kalt und immer nasser |
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Die Wolken lichten sich |
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Fondue?!? |
Der Blick aus dem Zelt am nächsten Morgen entlöhnt für die bitterkalte Nacht. Das Bergpanorama mit dem 5193m hohen Shkara, dem höchsten Berg Georgiens, ist überwältigend! Mit dieser Aussicht macht Aufstehen bei Minustemperaturen schon fast Spass! Durch Rhododendren und farbige Blumenwiesen geht es auf einer rasanten Fahrt runter ins Tal.
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Ohne Worte |
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Herrliche Abfahrt |
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Ab durch die Rhododendren |
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In Ushguli angekommen |
In Ushguli angekommen stellt sich nun die Frage, ob auch unser Trailer den Weg gemeistert hat. Erwartungsvoll betreten wir den Garten des Guesthouses. Und tatsächlich! Liebevoll mit einer Plastikplane zugedeckt wartet der Wagen bereits auf seine Eigentümer. Auch um uns kümmern sich die Betreiber des Gasthauses mit viel Hingabe. Zum Abendessen werden svanetische Köstlichkeiten in rauen Mengen aufgetischt. Der Tisch überquillt fast mit Khatchapuri, Sulguni (salziger Käse), Mkhali (Rote Beete mit Dill), Badrijani (Aubergine Stücke mit Walnuss-Knoblauch Paste) und Ajapsandali (Eintopf Suppe mit Aubergine, Kartoffeln, Tomaten, Peperoni und Kräutern). Exotisch klimgende Gerichte und superlecker! Sogar Vielfrass Joos wird satt! Und wie es der Zufall so will, sind auch Dietmar und Christine in Usghuli gelandet. Am warmen Ofen und bei einem einheimischen Bier werden die Erlebnisse der vergangen Tage ausgetauscht.
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Wieder vereint |
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Zauberhaftes Ushguli |
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Beste Betreuung im Guesthouse Qaldea |
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Bier am warmen Ofen mit Dietmar und Christine |
Nach einem ausgiebigen Frühstück machen wir uns auf den Weg zum Zagaro Pass (2600 m). Ab jetzt ist wieder unser ganzes Gepäck dabei, vermisst haben wir es eigentlich nicht...Naja, da müssen wir durch. Zum Glück haben wir vollgefederte Bikes, der Strassenzustand lässt ein wenig zu wünschen übrig...Die Abfahrt auf den ziemlich üblen Off Road Piste gleicht einem extra breiten Trail. Für uns ziemlich spassig, aber mit einem Tourenfahrrad?!? Die Bauarbeiten zur Sanierung sind im vollen Gange, haben aber bislang den Strassenzustand eher verschlechtert als verbessert. Ob die wohl jemals fertig werden? Vor dem nächsten Winter bestimmt nicht!
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Hoch zum Zagaro Pass |
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Beste Strassenverhältnisse... |
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Geschafft! |
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Churchkhela, das georgische Snickers |
Über Lentechi, wo wir erneut auf Dietmar und Christine stossen, geht es weiter talwärts bis zu den Prometheus Höhlen in der Nähe von Kutaisi. Der Weg durch das untere Svanetien ist für uns eher unspannend, die Berge sind im Rücken und es geht hauptsächlich auf Teerstrassen bergab. Unterwegs werden wir mehrmals zum Cha Cha (Schnaps) eingeladen. Eine willkommene Abwechslung! Morgens halb zehn in Georgien…Cha Cha das Frühstückchen…
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Cha Cha Time |
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Prometheus Höhlen |
Unser Trailfazit für den grossen Kaukasus:
Bikepacking ist für uns die erste Wahl! Wer keine Probleme hat sein Bike hochzutragen, kann hier wunderschöne Touren zusammen stellen. Die Wege sind sehr gut fahrbar und das Panorama unschlagbar! Auch für Tagestouren gibt es viele Möglichkeiten. Bis jetzt klar das Beste, was wir gemacht haben!
Wir ziehen nun weiter nach Tiblisi.
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Bis ans schwarze Meer
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