22: Von Tbilisi in den kleinen Kaukasus

In Tiflis/Tbilisi machen wir nach unserem unglaublich schönen Abenteuer in den Bergen gezwungenermassen einen längeren Stopp. Sehnsüchtig warten wir auf unseren Ersatz Gepäckträger, den Joos Eltern vor einiger Zeit in der Schweiz auf die Post gebracht haben...

Tbilisi

Mother of Georgia


Langweilig wird es in der Hauptstadt Georgiens jedoch nicht. Aus der Altstadt steigen zahllose Rauchschwaden in die Luft und hüllen die Häuser in einen grauen Schleier. Was wie ein Grossbrand aussieht, entpuppt sich als Tiblisoba, das Stadtfest von Tbilisi. An jeder Ecke wird frisches Obst und Gemüse angeboten und vor allem: Schaschlick Spiesse gegrillt! Daher also der Rauch und der Duft nach Barbecue... Uns läuft das Wasser im Mund zusammen! Natürlich wird auch der in Tonkrügen gelagerte georgische Wein ausgelassen gefeiert. Wir lassen uns von der beflügelten Stimmung mittragen und stossen auf unser 6-jähriges Jubiläum mit einem dieser edlen Tropfen an... Abgefüllt in eine kleine EIN LITER Flasche...

Tiblisoba

Grillparty

mit unseren aserbaidschanischen Freunden



pompös gedeckte Tafeln

und überall Musik!


so viel Wein

romantsicher Abend mit Wein, Lichtermeer und gratis Konzert auf der Burg Narikla


Um uns die Zeit zu vertreiben, erkunden wir die Trails rund um Tbilisi. Geo Riders, eine ortsansässige Bikeagentur zeigt uns an einem Vormittag die Trails, respektive Sehenswürdigkeiten rund um die Hauptstadt. Doch leider fährt unser Guide mit den engen Radlerhosen lieber auf der asphaltierten Strasse als auf den Trails... So versuchen wir es dann doch lieber auf eigene Faust. Nach zwei Tagen gibts nicht mehr viel zu entdecken. Die Wege werden selten benutzt, sind daher oft zugewachsen und die Abfahrten eher kurz.

mit Geo Riders unterwegs

mehr Sightseeing als biken...

Ferries Wheel


ein paar Trails haben wir doch noch gefunden





Also stürzen wir uns erneut ins Stadtleben, gehen Haare schneiden, besuchen einen supergünstigen Optiker, kaufen eine neue Brille, essen unzählige Khinkali, machen selber Khatchapuri und besuchen das öffentliche Schwefelbad. Während der Herrenbereich über eine Sauna verfügt, gibts für mich von den nackten einheimischen Damen eine Einführung in Body Scrub. Das anschliessende (Nackt-) Foto, dass sie von mir als Erinnerung schiessen wollen, ist mir aber dann doch zu viel :-).

Altstadt Tbilisi


Das Bäderviertel


Burg Narikla

Aussicht über Tbilisi


Khatchapuri Meister Joos


Nach einer Woche Grossstadt werden wir langsam hibbelig und würden gerne wieder raus in die Natur. Doch der Gepäckträger lässt weiterhin auf sich warten... Die beiden Hostel-Hausdamen meinen nur: „You go Postoffice, maybe there, sometimes they not deliver.“ Hmmm, was war nochmal der Zweck der Post?!? Aber tatsächlich, die zweite Poststelle, die wir aufsuchen, händigt uns ein nasses und etwas lädiertes Paket aus. So wie es scheint, liegt es schon einige Tage dort und wartet ungeduldig auf seine Empfänger... Glücklicherweise ist der Gepäckträger heil geblieben und wir können uns endlich auf den Weg in den kleinen Kaukasus machen.

endlich angekommen!

Nachdem wir am ersten Tag beflügelt 2000 Höhenmeter und 80 km geschafft haben, holt uns der kalte Wind am nächsten Tag wieder auf den Boden zurück. In dem kleinen Dorf Ajasmi kapitulieren wir bereits am Mittag. Das Zelt aufstellen: ein Ding der Unmöglichkeit, ein Hotel/Guesthouse: keines vorhanden. Etwas entmutigt streifen wir durch die Strassen und treffen auf einen Georgier, der uns breitwillig den Schl¨üssel zu einem verlassenen Haus übergibt, wo wir windgeschützt nächtigen dürfen. Wieder einmal macht uns die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Georgier sprachlos!


Weiterfahrt Richtung kleiner Kaukasus


mit Gegenwind schaffen wir es beinahe nicht, die Oma zu überholen

Unsere Unterkunft in Ajasmi



Am nächsten Tag hat sich der Wind gelegt und wir können die Durchquerung des kleinen Kaukasus in Angriff nehmen. Auf einer Kies-/Wiesenstrasse gehts an kleinen Siedlungen vorbei hinein in die wunderschöne einsame Bergwelt.

im kleinen Kaukasus





Vulkane

noch sind die Hirten da




Auf dem Pass angekommen bietet sich uns ein unerwarteter Ausblick auf den grossen Kaukasus. Kazbeg, Tetnuldi, Ushba und sogar den Elbrus, den höchsten Berg Europas, können wir sehen! Ein Traum!

im Hintergrund der grosse Kaukasus

Elbrus (links) und Ushba



Nach dem Downhill folgen wir der wieder geteerten Strasse in den Kurort Borjomi. Dort befindet sich der Eingang zum Nationalpark Borjomi-Kharagauli, wo wir die schönen Herbsttage nochmals  für eine mehrtages Biketour nutzen wollen. Unser Gepäck können wir bei dem überaus hilfsbereiten und herzlichen Sergo in der Garage deponieren. Er staunt nicht schlecht, als wir nach einer Stunde umpacken mit unserem wenigen Gepäck wieder losfahren. "You go WITH Bike?" Aber klar doch! :-)

runter Richtung Bakuriani

bei Sergo zu Hause

schon fast startklar


Der kleine Kaukasus ist zwar älter als der grosse, aber nicht so hoch. Bevor wir endlich einen Ausblick haben, müssen wir von der Atskuri Ranger Station erst viele Höhenmeter im herbstlich verfärbten Wald zurücklegen. Unter uns raschelt das Laub, die Vögel zwitschern und ab und zu hört man die Hirsche röhren, die sich um die Gunst der Weibchen buhlen. Zu dieser Jahreszeit ist kaum noch ein Wanderer im Park unterwegs und wir geniessen die Einsamkeit. Erreicht man die Waldgrenze hat man einen Panoramablick über die herrlich bewaldeteten Berge und goldgelbe Wiesen. Wir folgen dem Bergrücken und nach einem kurzen Downhill erreichen wir unserem Schlafspot bei dem Amarati Shelter.

Atskuri Ranger Station

zuerst viel Wald

Endlich oben


wunderschöner Mittagsplatz

Richtung Tourist Shelter



Blick über den kleinen Kaukasus



 Übernachten darf man im ältesten Nationalpark Georgiens nur bei den Touristshelters, wo man auch seine Wasservorräte auffüllen kann. Die Berghütten sind sehr einfach und werden vor allem von unzähligen Fliegen, tot und lebendig, bewohnt. Wir bevorzugen daher die Übernachtung im (fast) ungezieferfreiem Zelt. Nach Sonnenuntergang kuscheln wir uns vors Lagerfeuer und bestaunen die tausend Sterne über uns. Unsere Romantik wird jäh unterbrochen, als 2 junge Kanadier und 2 Israeli völlig erschöpft auch noch den Weg in die Hütte finden und sich durchgefroren aber dankbar zu uns ans warme Feuer setzen.


was für ein Traumspot

bezaubernde Abendstimmung


Von der ersten Hütte folgen wir dem Trail weiter über einen Pass, gefolgt von einer kurzen und knackigen Abfahrt und einer erneuten Tragepassage bis zur höchstgelegensten Hütte des Parkes. Petrus meint es gut mit uns und wir haben bei strahlendem Sonnenschein freie Sicht auf den im Norden liegenden grossen Kaukasus.

guten Morgen!

durch die schöne Graslandschaft


der nächste Anstieg wartet schon

zuerst aber runter!



Aussicht auf den grossen Kaukasus




Nun soll gemäss eines Internet Artikels eine 1700 Meter epische Singletrailabfahrt bis zur Sakhvlari Hütte starten. Nur hatte der Verfasser des Eintrages leider eine etwas fragwürdige Meinung über die Klassifizierung der Wege. So erwartet uns anstelle eines Trails ein eher lascher Downhill auf einer teilweise super matschigen Forststrasse. Das Ausweichen auf einen der Tiertrampelpfade entpuppt sich als schlechte Alternative, schon nach wenigen Metern bohren sich die Dorne nicht nur in unsere Schienbeine sondern auch durch meinen Pneu... Etwas enttäuscht über die Abfahrt, nicht aber über die Landschaft, erreichen wir das einsame Tourist Shelter Sakhvlari am Talboden, wo wir, diesmal ohne Störung, am Lagerfeuer den Tag ausklingen lassen.

Epische Landschaft aber Forststrassentrail


und am Schluss noch durch den Matsch

Lagerfeuerromantik


In der nächsten Etappe müssen wir die am Vortag vernichteten Höhenmeter auf einem 5 km langen, brutal steilen Pfad wieder gutmachen. Den Weg kann jedoch kaum als solcher bezeichnet werden. Wir stecken entweder knöcheltief im Schlamm oder kämpfen uns durch die Rhododendren. Meine Kräfte sind bald am Ende...Nach über 5 Stunden erreichen wir ziemlich erschöpft endlich den Bergrücken. Von dort folgen wir müde einem herrlichen Panoramaweg über den Kamm. Die 300 Höhenmeter runter zur Lomismta Hütte sind dann aber, wie schon fast zu erwarten, eine Forststrasse... Langsam aber sicher verfluchen wir diesen Forststrassenbiker/Tourenverfasser...

das war noch das einfachste an diesem Tag

Schlammpfad 

Rhododendren Desaster


und dann endlich oben

Forststrassenbiken


Endlich bei der Hütte



Für den letzen Tag stehen nochmals 1000 Höhenmeter Abfahrt an. Unsere Vorfreude hält sich in Grenzen. Auf Forststrassen Biken haben wir wenig Lust... Umso erstaunter sind wir, als wir am Trailhead auf einen SINGLETRAIL treffen! Einen richtig guten sogar! Flowig über die Wiesenlandschaft, herrlich verspielt durch das herbstliche Laub und im letzten Teil mit steilen Spitzkehren erreichen wir zügig und wieder mit einem Lächeln im Gesicht das Tal. Ein wunderschöner Abschluss unserer sehr anstrengenden Tour!

Juhuuuu! TRAIL!!!






wie ist der hierhergekommen?




In Borjomi quartieren wir uns in Sergo's Guesthouse ein. Der ältere Herr ist ganz angetan von unserem Abenteuer und verwöhnt uns mit zuckersüssen Trauben aus seinem Garten und seinem selbsthergestellten Cognac. Am Abend führt er uns höchstpersönlich zu seinem Lieblingsrestaurant. Auf seine Empfehlung testen wir auch das berühmte, eher eigenartig salzig schmeckende Borjomi Mineralwasser, dass seit langer Zeit die früher sowjetischen, heute russischen Herrschaften anlockt und anscheinend jegliche Magen-Darm Probleme kurieren kann. Wir sind mal gespannt, ob es bei unseren ständigen Verdauungsbeschwerden, sprich Fürzen, auch hilft... :-)

Sergo's Cognac

zuckersüsse Trauben

Borjomi



Heilendes Borjomi Mineralwasser

nicht deklarierte Nebenwirkung von Borjomi Wasser: unkontrollierter Haarwuchs...


Unser Trailfazit für Tbilisi und den kleinen Kaukasus:

In Georgiens Hauptstadt Tbilisi gibt es ein paar kurze Trails um sich die Zeit zu vertreiben. Mehr ist da aber nicht.

Der kleine Kaukasus bietet vor allem Abfahrten durch den Wald und Endurotrails oberhalb der Waldgrenze. Bei gutem Wetter wird man mit einem umwerfenden Panoramablick auf den grossen Kaukasus belohnt! Wir raten jedoch davon ab, die Tour von uns nachzufahren! Es gibt im Infobüro des Nationalparkes eine gute Wanderkarte und wir empfehlen, statt der grossen Runde, wie wir sie gemacht haben, von der Atskuri Ranger Station über den St. Andrews Trail bis zur Amarati Shelter hochzusteigen, dann aber dem Sheperds Trail direkt zur Lomismta Hütte zu folgen. Ein Abstecher zur Sakhvlari Shelter ist trotz der lockenden 1700 m Abfahrt, die leider auf einer Forststrasse erfolgt, kaum lohnenswert. Der Nikoloz Romanov Trail von der Lomismta Hütte zurück nach Borjomi ist auf alle Fälle ein super Abschluss der Tour! Aber auch in entgegengesetzer Richtung könnten wir uns diese Tour gut vorstellen.

Tourenüberischt im kleinen Kaukasus


Der Abschied von Georgien naht und fällt nicht ganz leicht. Das Land hat uns nicht nur biketechnisch begeistert. Land und Leute sind schlicht und einfach unglaublich!!! Aber wir müssen uns langsam aber sicher auf den Weg Richtung Heimat machen...So folgen wir dem wunderschönen Mtkvari Fluss aufwärts, machen einen Zwischenstopp in der bezaubernden Höhlenstadt Varzia und stramplen weiter Richtung türkische Grenze...

am Mtkvari Fluss entlang

Vardzia







Hier gehts zum letzten Beitrag:
Bikepacking Part II Khevsureti

Kommentare

  1. Hey ihr zwei!
    Vielen Dank für die Grüsse per Postkarte!
    Wir freuen uns immer über solche Rückmeldungen.
    Cool, was ihr da macht, geniesst jeden Tag und macht weiter so!
    Viel Spass weiterhin und ihr dürft auch in Tiflis vom trailshop.ch als Geheimtipp erzählen :-)
    Liebe Grüsse, Regula und Bamidele

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

23: Zauberhaftes Kappadokien und Big City Life in Istanbul

14: Freeride Kosovo and Albania

13: Peaks of the Balkan by Bike